Angst verstehen
Warum „sich überwinden“ oft nicht funktioniert
Angst kann lähmen. Wer sie kennt, weiss, wie schwer es ist, einfach „darüber hinwegzugehen“. Oft wird uns geraten, wir müssten uns nur mehr anstrengen, mutiger sein, uns überwinden. Doch genau das führt häufig in eine Sackgasse. Denn Angst ist kein Mangel an Willenskraft – sie ist eine Schutzreaktion unseres Nervensystems.
Das limbische System entscheidet blitzschnell
Unser limbisches System – das emotionale Bewertungssystem im Gehirn – beurteilt in 150 Millisekunden, ob eine Situation gefährlich ist oder nicht. Diese Einschätzung basiert auf früheren Erfahrungen. Wenn wir als Kinder bestraft, kritisiert oder beschämt wurden, hat sich unser System gemerkt: „Bestimmte Handlungen sind gefährlich.“ Heute können diese alten Erfahrungen dazu führen, dass unser Körper uns blockiert, selbst wenn objektiv keine Gefahr besteht. Das limbysche System ist dem Verstand übergeordnet!
Alte Angst erkennen – neue Realität einüben
Der Schlüssel liegt darin, zu unterscheiden
- Wo gehört die Angst hin? In die Vergangenheit, zu einem Geburtstrauma, in welche andere Zeit genau (Kindergarten, Schule usw.) oder zu welchen anderen Personen?
- Was gilt heute? Die aktuelle Situation ist meist völlig anders. Doch das limbische System verwechselt die Situation, erwartet das „frühere Drama“.
Warum Gedanken Angst verstärken können
Wenn wir immer wieder Worst-Case-Szenarien durchdenken, verstärken wir damit unbewusst die Angst. Das nennt sich Hebbsche Plastizität: „Neurons that fire together, wire together.“
Alles, was wir unserem Gehirn oft genug „füttern“, wird stärker vernetzt. So entsteht leicht ein inneres Netzwerk voller Gruselfantasien – eigentlich als Selbstschutz gedacht, aber in der Folge blockierend.
Den Fokus bewusst verschieben
Statt das Angstnetzwerk weiter zu füttern, können wir neue Bahnen stärken:
- Erinnerungen an Ressourcen: Erfolge, Freude, Momente voller Energie.
- Den Körper spüren: wie es sich anfühlt, wenn wir uns lebendig, stark oder verbunden fühlen.
Mit Wenn-Dann-Plänen arbeiten
Gedanken kommen automatisch – das lässt sich nicht verhindern. Aber wir können lernen, sie wie Wolken vorbei ziehen zu lassen, ihnen keinen Raum zu geben, sondern den Fokus der Aufmerksamkeit bewusst auf eine Ressource zu lenken. Wir lernen anders zu reagieren!
- Wenn die Angstgedanken auftauchen,
- dann richte ich meine Aufmerksamkeit bewusst auf eine Ressource, z. B. ans Fussball spielen. Dann denke ich daran, wie megacool es war dieses eine Tor zu schiessen!
Dann spüre ich Freude, Begeisterung, Kraft usw. in meinem Körper.
So trainieren wir das Gehirn, in Zukunft schneller auf Sicherheit, Freude und Stärke umzuschalten. Mit der Zeit gelingt es leichter, Vorhaben umzusetzen – nicht, weil wir uns überwinden, sondern weil das System klar spürt: „Es passiert keine Katastrophe mehr.“
Angst verliert ihre Macht nicht durch Kampf, sondern durch Klarheit: Wenn wir lernen, unser limbisches System neu auszurichten, öffnet sich der Weg zu mehr Leichtigkeit, Vertrauen – und zu einem Leben, das nicht von alten Ängsten, sondern von neuen Möglichkeiten geprägt ist.