Stressmodell

Um traumatisierten Klient/-innen aufzuzeigen, wie schnell die Ausschüttung von Stresshormonen ihre Fähigkeit klar zu denken oder zu handeln einschränkt, habe ich dieses Modell 2002 entwickelt. Je öfter ein Kind traumatischen Erfahrungen ausgesetzt war, desto schneller reagiert sein Organismus, weil sich die synaptischen Verbindungen verstärken und verbinden (neurons that fire together, wire together D. Hebb).

Schädliche Konditionierungen (Langzeitsensitivierung)

„Im Zellkern der sensorischen Neurone werden bestimmte Gene aktiviert. Diese bewirken, dass die Anzahl präsynaptischer Endigungen der sensorischen Neurone sich um das Doppelte erhöhen. Gleichzeitig stellen sich die motorischen Neuronen auf die erhöhte Signalwirkung ein, indem sie ihre Dendriten sprossen lassen und damit die Kontaktmöglichkeiten für die Ausbildung neuer synaptischer Koppelungen optimieren“ (Deneke). Die Folge davon ist, dass ein minimer Stimulus (Trigger), der mit der traumatischen Erfahrung verbunden ist aussreicht, um in Bruchteilen von Sekunden den betroffenen Menschen in Panik zu versetzen, bis zur Erstarrung und / oder Sprachlosigkeit.

Behandlung von konditionierten Stressreaktionsmustern

Mit der integrativen Enttrübungs- und Entkoppelungstechnik IEET® können emotionale Überflutungsreaktionen und Blockaden aufgelöst werden.

Viele in der Kindheit traumatisierte Menschen haben so gut gelernt zu überleben und zu funktionieren, dass sie häufig relativ unauffällig und symptomlos leben. Früher oder später reicht die Lebensenergie nicht mehr aus, die abge­spaltenen Gefühle, Bilder, oder Körpererinnerungen weiter zu unterdrücken. Einige erleben plötzlich, dass ihre Wut unkontrolliert hervorbricht, bei anderen kommen Erinnerungsfragmente hoch, die sie nicht einordnen können, andere reagieren mit plötzlichen Angst- oder Panikattacken, die für sie nicht erklärbar sind. Das heisst, dass die lange Zeit unterdrückten und abgespaltenen Gefühle und Erinnerungen nun lebendig werden, es kostet zu viel Energie, sie länger zu unterdrücken. Ausserdem lebt im Innern der Klientin / des Klienten ein kleines, schwer verletztes Kind, dessen Wunden weder gesehen, noch gehört wurden, die noch nicht geheilt wurden, ein Kind, das verzweifelt um Hilfe schreit, einsam ist und grosse Angst vor den Menschen hat.

Kettentraumata wie langjährige sexuelle Ausbeutung oder Misshandlungen, aber auch Vernachlässigung verursachen eine dauernde Stressüberflutung des Organismus. Spezifische neuronale Verschaltungen werden im Gehirn angelegt. Je häufiger diese Verschaltungen „benutzt“ werden, desto schneller erfolgt die Kommunikation zwischen den Nervenzellen. Diese Bahnen werden gefestigt. Komplexe neuronale Netzwerke entstehen, die sich in spezifischen Stress-Reaktionsmustern zeigen. Dazu kommt, dass der anhaltende Druck (keine Ruhe- und Sicherheit vermittelnde Eltern) verhindert, dass ein nur ansatzweise lösungsorientiertes Denken und Ver­halten gelernt werden konnte! Die Folge davon ist eine erlernte Hilflosigkeit, die mit Stressüberflutung gekoppelt ist, da die Situation weder bewältigbar noch lösbar ist! Das führt dazu, dass solche Kinder einen Grossteil Ihrer Zeit damit verbringen, sich selbst irgendwie zu beruhigen. Auf der Strecke bleibt die Neugierde, die Freude am Entdecken.

Als Folge einer anhaltenden Bedrohungssituation (kein Schutz und keine Sicherheit) ist Amygdala (limbische Region) in dauernder Alarmbereitschaft.  Stimuli, die mit den traumatischen Situationen limbisch verschaltet sind, provozieren das Ausschütten von Stresshormonen. Neurotransmitter, Peptide und andere Signalstoffe verursachen schlussendlich bei hochgradigem Stress, dass der Hippokampus (Teil des limbischen Systems, zuständig für die richtige Einordnung von Zeit und Raum) nicht mehr arbeitet (Cortisolüberflutung). Deshalb können sexuelle Gewalterfah­rungen oder andere Trauma oft nicht kognitiv erinnert werden. Das reibungslose Funktionieren des Hippokampus ist Voraussetzung dafür, dass explizite Erinnerungen ins Langzeitgedächtnis gespeichert werden können. Diese Traumata sind dann nur als „Fragmente“ erinnerbar, weil die Stresshormone die für die kognitive Erinnerung notwendigen Teile der Gehirnfunktion „lahm legen“. Diese Fragmente sind dann über plötzlich auftretende Gefühle, Bilder, Körperwahrnehmungen (reaktivierte Erinnerungen oder Flashbacks) zugänglich, können nur als implizite Erinnerungen wahrgenommen werden. Da diese Fragmente eine ganz andere Qualität haben (als ob sie aus einer andern Zeit stammen würden) als kognitive Erinnerungen, weigern sich traumatisierte Menschen häufig, diese Bilder, Gefühle oder Körperwahrnehmungen als ihre eigene Erinnerung anzunehmen. Mit der Zeit erkennen diese Klienten zunehmend, sicher aber immer dann, wenn sie mit dem traumatisierten Kind identifiziert sind, dass es sich bei den Erinnerungen um ihre subjektive, eigene Wahrnehmung handelt. Sobald sie wieder mit dem funktionierenden Teil identifiziert sind, bezweifeln sie häufig, dass die zuvor erinnerten, auch authentisch ausgedrückten Gefühle, ein Teil ihrer Realität sind. (Ich-Zustands-Wechsel in jenen Teil, der überlebt hat und subjektiv nie Gewalt erfahren hat. Das war nicht ich! Das verletzte, misshandelte Kind wird dissoziiert, weil die Schmerzen, die Scham, die Demütigung, das Beschmutzt-worden-sein, nicht aushaltbar ist.)

Stressreaktionsmuster

Unter Stress wird ein ganz archaischer Teil des Gehirnes aktiviert, das limbische System, das für das Überleben zuständig ist. Bei realer oder angenommener Gefahr gibt Amygdala den Befehl zur „Flucht-Kampf-Reaktion“. Um den Körper kampfbereit zu machen, wird das Blut aus der Peripherie abgezogen und in die Muskeln gepumpt, die Herzfrequenz wird erhöht. Auch im Gehirn ist das sichtbar, das Frontalhirn ist unter Druck nicht mehr durchblutet, weshalb die dort angelegten neuronalen Verschaltungen nicht benutzt werden können.

Ein Stimulus kann zuerst ein unspezifisches Erregungsmuster bewirken, das sich dann über den ganzen Körper ausbreitet. Gefühle sind primär elektrische Ereignisse im Nervensystem, die im Gehirn starten und sich von dort aus ausdehnen. Diese elektrische Energie, die sich aufbaut, kann den Menschen ohnmächtig, wütend, oder handlungsunfähig machen, ihn vor Angst erstarren lassen. Während eines Flashbacks wird der Mensch mit Gefühlen überflutet, die in eine andere Zeit  und zu einer andern Situation gehören. Der betroffene Mensch kann das in dieser Situation nicht erkennen,  und greift auf ein archaisches, altes Muster zurück und reagiert unangemessen. Stress oder innere Unruhe verhindern, dass Menschen  ihre angelegten Verschaltungen im Neokortex nutzen können. Sie sind dann häufig mit einem „Kind-Ich-Zustand“ identifiziert, sind sich dessen aber nicht bewusst.